Im berliner Tagesspiegel schreibt Bernd Matthies vor einer Woche:
„Der Fall Alexanderplatz ist dafür ein gutes Beispiel. Wäre hier angesichts einer deutlichen Mehrfach- und Intensiv-Karriere rechtzeitig und konsequent eingegriffen worden, würde Jonny K. noch leben, das steht eigentlich außer Frage. Und gut zu verstehen ist die Wut der Polizisten darüber, dass Täter, die sie mit viel Aufwand stellen, wenig später freigelassen oder zum Segeln auf der Müritz verurteilt werden. Heinz Buschkowsky und die verstorbene Jugendrichterin Kirsten Heisig haben dazu alles gesagt.“
Während aber diese gemeingefährlichen Gewalttäter trotz erwiesener Fluchtgefahr – einer von ihnen hat sich längst in die Türkei abgesetzt – ausnahmslos frei herumspazieren und sich ungestört untereinander absprechen können sitzt in Köln ein anderer wegen angeblicher Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft. Es handelt sich um einen angesehenen und bekannten Ratsherrn, der von der CDU vor seinem Verlassen der Partei mehrfach in hohe Partei- und Kommunalämter wiedergewählt wurde, sie offenbar also zu deren Zufriedenheit gut ausgefüllt hat.
Was aber wirft man ihm vor?
Er soll angeblich, wie der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet, in einer Vielzahl von Fällen zu unrecht Sitzungsgelder erschlichen haben.
Was heißt das genau?
Sitzungsgelder erhielt auch ich als Ratsherr meiner Heimatgemeinde, es handelte sich um knapp 16 Euro pro Abend. Was ist die nicht näher benannte Vielzahl? Gehen wir einmal halbwegs plausibel von einem Jahr lang einmal pro Woche aus. Das steckt, auch wenn in einer Großstadt wie Köln die Sitzungsgelder höher als hier auf dem Land ausfallen werden, in etwa den Rahmen ab.
In Deutschland ist das offenbar ein schwerer wiegendes Verbrechen als in enthemmter Meute einen Menschen auf offener Straße gemeinschaftlich zu Tode zu treten – zumindest dann, wenn man politisch der falschen Partei angehört. Dabei ist die falsche nicht etwa die nie aufgelöste und vollkontinuierlich weiterbestehende Partei der Stasi und der Mauerschützen, nein, falsch ist es, sich für die Einhaltung des deutschen Grundgesetzes und die Souveränität des Bundestages über deutsche Steuergelder einzusetzen.
Das Tuch der blinden Justitia ist durchsichtig geworden und von Gleichheit vor dem Recht ohne Ansehen der Person kann bei uns schon lange keine Rede mehr sein.